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Der Webstuhl im Stadtmuseum

Das Weben gehört zu den ältesten Kulturtechniken der Menschheit, die weit in die vorchristliche Zeit zurückreichen. Noch heute werden in vielen Ländern Stoffe von Hand an Webstühlen gewerblich gefertigt.

In unseren Breitengraden sind diese Zeiten lange vorbei, denn mit dem Einsatz der Technik wurden #Webmaschinen entwickelt, deren Leistungsfähigkeit die eines Handwebstuhls bei weitem übertreffen. Nichtsdestotrotz war die Handweberei auch im hiesigen Raum bis etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Erwerbsquelle für die Bevölkerung. Monoton, körperlich anstrengend und mit allerlei Vorbereitungen verbunden, wurden Textilien, insbesondere aus Leinen hergestellt. Das geschah in Heimarbeit unter Mithilfe der gesamten Familie – an eigenen Webstühlen. Staub und auch eine nicht zu unterschätzende Geräuschkulisse waren Begleiter im Alltag der Familien, die ihren Lebensunterhalt mit diesem #Handwerk bestritten.

Der Webstuhl im Stadtmuseum

Der Handwebstuhl im Backsteinhaus des Stadtmuseums – Abteilung Textilgeschichte – gehörte schon bei der Eröffnung 1988 zum Inventar des Museums. Der gelernte Webermeister Giljohann hatte ihn seinerzeit zur Verfügung gestellt. In einem Protokoll des Arbeitskreises »Textilherstellung« von 1986 findet sich der Hinweis, dass das Exponat allerdings in Teilen renovierungsbedürftig gewesen sei. Ansonsten sind über das ausgestellte Stück in den Unterlagen nur wenige Informationen vorhanden: Datiert auf die Zeit um 1840, aus Jöllenbeck stammend, wurde der Webstuhl in erster Linie zur Herstellung von Leinenstoffen genutzt. In einer Fußnote ist noch zu lesen, dass nach Aussage des letzten Besitzers auch Seidenstoffe für die Firma Delius in Jöllenbeck darauf gewebt worden sein sollen. Vielleicht ist dies der Tatsache geschuldet, dass 1851 Fritz Raßfeld und Wilhelm Delius ihre Seidenweberei mit Lohnarbeitern in Heimarbeit begannen.

Jahrelang fristete der Webstuhl im Backsteinhaus des Museums ein bescheidenes Dasein, denn defekte und fehlende Teile machten das Weben unmöglich. Das änderte sich, als Siegfried Brose nach dem Eintritt ins Rentenalter 2002 das Restaurieren von Webstühlen als neues Hobby für sich entdeckte, und zwar zunächst im Museum Versmold und im Heimathaus Bockhorst. Der Zufall wollte es, dass Brose wenig später im Rahmen dieser Tätigkeit Dr. Rolf Westheider – den damaligen Leiter des Stadtmuseums Gütersloh – traf. Die Verbindung zum hiesigen Haus und damit zum Handwebstuhl war damit geschaffen. Brose – von Beruf Webermeister – begann in unzähligen Stunden zusammen mit seinem ehemaligen Kollegen Richard Bublitz (beide früher bei der Firma #Güth & #Wolf, #Gütersloh, beschäftigt) für die Herrichtung und Wiedergangbarmachung des Arbeitsgerätes zu sorgen.

Das Gestell sei geblieben, aber alle anderen Teile habe man angestrebt möglichst originalgetreu zu restaurieren, so Siegfried Brose in einem Gespräch. Als er den #Webstuhl übernahm, waren zum Beispiel die Schäfte aus Metall, stimmten also nicht zum Alter des Webstuhls und wurden erneuert. Man habe versucht, den Webstuhl so herzurichten, dass alles authentisch zu seiner Ursprungszeit (um 1840) passte. Bei den Holzarbeiten habe Reinhard Sudahl, der technische Mitarbeiter des Gütersloher Museums, ihnen als gelernter #Tischler zur Seite gestanden.
Damit konnte nun realisiert werden, was schon von 1986 im Konzept für die »Lebendigkeit im Museum« verzeichnet gewesen war: »… gelegentliche Webdemonstrationen …«. Immer, wenn es seine Zeit erlaubte, fand man Brose im Museum. Dabei begeisterte er nicht nur Erwachsene mit seinen Webvorführungen, sondern erklärte den Webstuhl auch Schülern und wies sie in die Technik dieses Handwerks ein. 2013 beendete Brose aus persönlichen Gründen sein Engagement im Museum.

Helma Trunschke bereitete 2020 den Webstuhl im Stadtmuseum wieder für Webvorführungen vor

Erneut gab es eine Vakanz, bis 2020 Helma Trunschke, Lehrbeauftragte für Textilgestaltung, den Webstuhl bei einem Besuch im Museum »entdeckte«. Inzwischen hatte allerdings die Zeit abermals ihre Spuren hinterlassen. Helma Trunschke machte den Webstuhl wieder gangbar, indem sie gerissene Kettfäden und morsche Verschnürungen ersetzte. Damit hätten auch die Webvorführungen aufs Neue aufgenommen werden können, aber dann kam die Pandemie! Das Museum musste geschlossen bleiben.

Auch wenn Covid 19 noch nicht gänzlich überwunden ist, erlaubt inzwischen die derzeitige Impfsituation unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen wieder die Öffnung des Museums. Daher können nun auch wieder Webvorführungen stattfinden, und so wird Helma Trunschke vom 30. Oktober 2021 an in regelmäßigen Abständen den Besuchern die Kunst des Webens aktiv demonstrieren. Obwohl der körperliche Einsatz bei dieser Tätigkeit sicherlich mit einer sportlichen Leistung zu vergleichen ist, ist dieses Handwerk dennoch in den künstlerischen Bereich einzuordnen, denn das Weben bietet eine Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Möchte man wissen, was Schäfte, Litzen, Schussfäden sind – Helma Trunschke wird’s vor Ort erklären.