Zimmerfahrstühle und Handbetriebs-Fahrräder. Aus der Geschichte des Rollstuhls

Die „Erste Oeynhauser Krankenfahrzeug-Fabrik H. W. Voltmann“ stellte zwischen 1871 und 1979 in der westfälischen Kurstadt Bad Oeynhausen Rollstühle aller Art her. Es gab „Krankenfahrstühle“, wie sie lange genannt wurden, zum Schieben draußen („Fahrstühle“) oder in kleinerer Variante für drinnen („Zimmer-Fahrstühle“), ab etwa 1900 auch als „Selbstfahrer“ oder eben „Handbetriebs-Fahrräder“, ab den 1920er Jahren auch mit Elektro- oder Verbrennungsmotor. Alle diese bis in die 1960er Jahre hinein noch sehr sperrigen, aus Holz und Stahlrohr gefertigten Fahrzeuge hatten eines gemeinsam: Mit ihnen gewannen Gehbehinderte einen größeren Mobilitätsradius.

rollstuhl2Die Ausstellung war gleichsam eine Hommage an den Gründer dieser wahrscheinlich ersten deutschen Rollstuhlfabrik: Heinrich Wilhelm Voltmann wurde vor fast 170 Jahren, am 4. Juni 1843, in Gütersloh geboren. Sein Elternhaus stand an der Münsterstraße 15, der Vater stammte vom abgerissenen Kotten Voltmann in der Bauerschaft Pavenstädt (an der Stelle des heutigen Theaters), seine Mutter vom Hof Massmann (heute Stiens) in der Rhedaer Bauerschaft Nordrheda. Der Schlossermeister ließ sich in Oeynhausen nieder und machte sich 1871 mit einer Schlosserei selbständig, die sich schon bald zum führenden Hersteller von Rollstühlen in Deutschland entwickeln sollte.

rollstuhl-dachbodenfundIn der Ausstellung waren ausschließlich Exponate aus unserer Rollstuhlsammlung zu sehen, darunter zahlreiche „Westfalia“-Rollstühle von H. W. Voltmann. Die ältesten beiden Rollstühle der Ausstellung (Foto) waren Neuerwerbungen und stammen aus einem aufgelösten niederländischen Kloster nahe Aachen. Sie stammen wohl aus dem Zeiträumen 1860/70 und 1880/90 und wurden kurz vor Ausstellungsaufbau aus Haus Loreto in Simpelveld abgeholt.

Neben leibhaftigen Rollstühlen zeigte die Ausstellung auch zahlreiche Abbildungen von Rollstühlen auf Illustriertenausschnitten des 19. Jahrhunderts und Fotos. Ein besonderer Fund waren Originalfotos und Bildentwürfe für Kataloge der Deutschen Orthopädischen Werke (Berlin), lange Zeit ebenfalls ein großer deutscher Rollstuhlhersteller. Diese stellte uns ein Sammler aus Berlin zur Verfügung.

Ausstellungsmacher war Martin Wedeking (Konzeption, Recherche, Gestaltung). Schwarz-weiß-Foto: Porträt von Anna Kolbe (1901–1920) im Rollstuhl im Garten des elterlichen Hauses Moltkestraße 32. (Quelle: Stadtarchiv Gütersloh, StadtA GT BB00917).

Die Neue Westfälische berichtete unter der Überschrift Alte Schätzchen auf Rädern. Einige Exponate der Ausstellung wurden im Anschluss auf der Messe Reha Concept OWL gezeigt.

Vom 10. März bis zum 14. April 2013

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