„Gütersloher Geschichten im Wandel der Zeit“ – Schüler interviewen Zeitzeugen

Zwischen den Interviewpartnern liegen teilweise runde 80 Jahre. Und doch haben die Schülerinnen und Schüler der Elly-Heuss-Knapp Realschule und die Bewohner des Katharina-Luther-Hauses und des Wilhelm-Florin-Zentrums Gemeinsamkeiten entdeckt: den Blick auf Gütersloh, auf Plätze, die es heute noch gibt, auf Namen und Nachrichten. 

Das Ergebnis sind „Gütersloher Geschichten im Wandel der Zeit“, zusammengetragen von der Geschichts-AG der Innenstadtschule und Anfang Mai veröffentlicht in einer kleinen Broschüre, die unter anderem bei uns im Stadtmuseum ausliegt. Das ambitionierte Projekt unter der Leitung von Lehrerin Katrin Geweke zeigt, wie spannend der Zugang zu Geschichte sein kann, wenn er Bezüge zum unmittelbaren Umfeld der Jugendlichen hat.

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Abschluss bei Kaffee und Kuchen: Schülerinnen und Schüler der Geschichts-AG bedankten sich mit Kuchen bei ihren Inteview- und Projektpartnern, (v.l.sitzend) Simon Spiewak, Konrad Kolbe, Elfriede Gröschler, Nahrin Akbaba, Irma Garczyk, Ursula Verleger, (stehend v.l.) Brigitte Büscher (Bürgerstiftung), Sabine Zitzke (Katharina-Luther-Haus), Schulleiter Johannes Reckendrees, Stadtarchivar Stephan Grimm,  Luisa Henkenjohann, Lehrerin Katrin Geweke, Michael Gießner und Historiker Norbert Ellermann.

Genau das hat sich Katrin Geweke, die mit ihrer AG 2015 eine ›App zu den Gütersloher Stolpersteinen aufbereitete, auch diesmal zunutze gemacht. So stand nicht nur das Gespräch mit den Zeitzeugen der Kriegs- und Nachkriegszeit im Mittelpunkt der Recherche, die von Norbert Ellermann, Historiker und freier Mitarbeiter des Stadtmuseums, sowie von Stadtarchivar Stephan Grimm begleitet wurden. Die jungen Historiker übten auch Interviewtechnik, machten nach einer Schulung mit dem Fotografen Carsten Borgmeier auch die aktuellen Bilder ihrer Gesprächspartner selbst und trugen Quellen zusammen. Der städtische Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit stellte Kontakte her, den Druck finanzierte die Gütersloher Bürgerstiftung.

Im Mittelpunkt der Dokumentation stehen prägnante Berichte aus einer Zeit, die fast ein Menschenleben zurückliegt und die doch in lebendigen Erinnerungen erfahrbar gemacht wird. Die älteste Inteviewpartnerin, Gertrud Obdiedzynski, ist 101 Jahre. Sie erzählt von einer entbehrungsreichen Kindheit im Ruhrgebiet, von der kaufmännischen Lehre in einem jüdischen Geschäft, von „Zwangsheirat“, Scheidung und Bomben auf die Firma, in der sie arbeitete. Anni Uppmann, geboren 1923 in Isselhorst, berichtet von Tieffliegerangriffen und dem Aufbau der Tankstelle mit Werkstatt an der B 61, gemeinsam mit ihrem Mann. Dazu stellte das Stadtarchiv Bildmaterial zur Verfügung, das auch bei der nachfolgenden Generation noch Aha-Effekte auslöst.

Hedwig Grothe, Elfriede Kramme, Konrad Kolbe und viele andere haben ebenfalls Beiträge und Bilder aus ihrem Leben beigesteuert: Geschichten von Flucht, Vertreibung, Kriegswirren und Angst, aber auch vom Neuanfang und Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg – verbunden mit Erkenntnissen, die auch für junge Menschen ihre Gültigkeit haben: „Dass wir heute so frei sind und in einer Demokratie leben, ist sehr wertvoll,“ fasst Horst Hönisch, Jahrgang 1929, seine Erfahrungen zusammen. Und Ursula Verleger, Jahrgang 1934, wird zitiert: „Im Nachhinein würde ich nichts an meiner Kindheit ändern. Ich finde, das sind alles Lebenserfahrungen, an denen man wächst.“ Eine Botschaft, die nicht nur die jungen Inteviewpartner aufmerksam aufgenommen und sehr sorgsam zusammengestellt haben.

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